Kolkata

Endlich wieder indische Metropole, zu viele Menschen, zu laut, stinkig und stickig. Mein alter Freund Olli schickt mir ein Günter Grass Zitat. Der sprach von „einem Haufen Scheiße wie Gott ihn fallen ließ und Kalkutta nannte“. Irgendwas fesselte ihn trotzdem, er blieb lange und kehrte auch nochmal hierher zurück. 4,5 Millionen Einwohner plus 14 Millionen im Umland. Auf der Rangliste der Städte für Lebensqualität auf Platz 160 von 231 untersuchten Städten. Keine Kühe auf der Straße. Aufbruch in die Moderne und noch mehr Armut in der Hauptstadt Westbengalens.

Im Kalighat-Tempel zu Ehren der Göttin Kali, für Hindus einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte, werden rituell Ziegen enthauptet. Die Straßenhunde lecken das Blut auf und hecheln den Fleischresten hinterher. Die Ziegen werden von ihren Besitzern zum Schaffott geführt. Unter Trommelwirbel wird der Kopf in eine Art Guillotine geklemmt und der Körper lang gezogen, bevor das Messer seine Arbeit tut. Die Besitzer vergießen Tränen. Später wird die Haut abgezogen und die Ziege zerkleinert, in Plastiktüten abgepackt und vermutlich auch gegessen. Rund um den Tempel ist ein bunter Markt, der Plastik-Devotionalien aller Art bietet. Und das Mutter huhaus der Missionarinnen der Nächstenliebe, dem Orden Mutter Teresas, der mitten im Slum beheimatet ist.

In unserem Viertel in Kolkata gibt es einen richtigen kleinen Supermarkt, den ersten, den wir in Indien sehen. Hier arbeiten mehr Menschen als Kunden im Laden sind. Hilfsbereit wird jeder Griff ins Regal beobachtet, an jeder Theke wird ein Produkt beworben („You want buy cauliflower today?“) und bei dem Arbeitstempo würde dem Aldi-Fachpersonal hier die Tränen kommen. Der Kassierer unterschreibt den Einkaufsbon oben und unten. Die Waren werden in eine Plastiktüte verpackt und diese mit Kabelbinder verschlossen. Am Ausgang zeigt man Einkaufsbon und Tüte vor, der Bon wird von einem Herrn in Uniform gelocht. Kein Scherz.

Der Mullikghat Flower Market verkauft fast ausschließlich einzelne Blüten und Blumenketten für religiöse Zwecke. Schön bunt ist er trotzdem. Von dort führt eine kleine Treppe hoch auf die berühmte Howrah- Bridge.

Wir sind erschöpft. Ich glaube, Indiens Städte sind so anstrengend, weil man einfach Zeit braucht, alles weg zu stecken, was man sieht. Beim abendlichen Fotosichten ùberschwemmen mich die Eindrücke, man hat ja noch viel mehr gesehen als fotografisch fest gehalten. Kolkata ist lange nicht so dreckig und überfüllt wie Delhi, vielleicht sehe ich deshalb mehr Details. Die Armut ist grausam.

Good bye, heut Nacht fliegen wir nach Bangkok. Dieses Land wird mich bestimmt noch beschäftigen.

3 Gedanken zu „Kolkata“

  1. ja, mich hat Indien auch noch lange beschäftigt, so sehr sogar, daß ich die Mexico-Reise, die ich 3 Monate später antreten wollte, abgesagt habe und sie erst 1 Jahr später gemacht habe.
    Indien muß man sehen, erleben und verarbeiten.

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